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In die Wüste geschickt

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Auf dem Kamel in einer Karawane durch die nordwestliche Sahara

Pechschwarzer Himmel mit vielen funkelnden Sternen wölbt sich über kilometerlangen Dünen. Kamele bewegen sich lautlos zwischen ausgebreiteten Schlafsäcken. In einer Feuerstelle brennt der Rest der Glut. Ein schwacher Geruch von Pfefferminztee liegt in der Luft. Es ist Nacht in der Sahara.
Adi beeindruckt dieses Szenario wenig. Der Berber ist seit 20 Jahren als Kameltreiber in der nordwestlichen Sahara in Marokko unterwegs, die Wüste ist für ihn Arbeitsplatz und Wohnzimmer zugleich. „Auf geht’s, wir wollen weiter“, sagt der Nomade am nächsten Morgen und zieht den Sattelgurt seines Kamels fester. Das Lastentier beschwert sich, blökt laut und guckt seinen Chef vorwurfsvoll an.

Raus aus der Zivilisation
Mit jedem Schritt auf den gemächlich im Passgang laufenden Kamelen entfernt sich die Karawane ein Stück von der Zivilisation, lässt die Stadt Zagora hinter sich, duchquert Stein- und Geröllwüsten und taucht in eine feine Sandwüste ein. Nun wird die Sicht in jeder Himmelsrichtung nur noch vom Horizont begrenzt, sieht eine fein geschwungene Düne aus wie die nächste. Spätestens in der Sandwüste lasse die meisten Menschen der Orientierungssinn im Stich, erzählt Adi und lächelt. „Sie laufen“, sagt er, und malt in der Luft mit seiner zerfurchten, ledrigen Hand kleine Kringel in die Luft, „dann immer nur im Kreis“.

Süßer Pfefferminztee
und fremde Gesänge

Etwa 25 Kilometer legen die Kamele täglich zurück, befördern Menschen, Lebensmittel, Töpfe und Zelte zum nächsten Schlafplatz unter freiem Himmel.

Und große Kanister tragen sie auch. Die Plastikbehälter haben gleich zwei Aufgaben: Zunächst befördern sie Trinkwasser, wenn sie leer sind, werden sie zum Instrument. Wie das geht? „Ganz einfach“, lacht Adi und beginnt, auf dem Resonanzkörper zu trommeln. Das macht er oft, abends, nachdem sich die Gäste der Karawane vor dem Feuer versammelt und gekochtes Hammelfleisch oder Couscous aus Tontöpfen gegessen haben. Wenn die Messingkanne mit duftendem Pfefferminztee und Zucker die Runde macht, gibt Adi den Rhythmus auf dem Kanister vor und beginnt zu singen. Von den Weiten der Wüste und von unerfüllter Liebe. Die Töne sind laut, die Schläge klingen dunkel, die Melodien arabisch und fremd. „Wer die Einsamkeit scheut, ist falsch in der Sahara“, sagt Adi, und legt den Kanister zur Seite.

Tomaten für Tabletten
Manchmal bekommen aber auch die Kameltreiber Besuch. In der Nähe der algerischen Grenze läuft ein dreiköpfiger Soldatentrupp auf die Karawane zu, bewaffnet und mit mürrischen Gesichtern. Adi marschiert den Fremden entgegen und kommt schließlich mit einer Plastiktüte zurück. „Einer der Männer hat Zahnschmerzen“, lächelt der Berber, und verstaut die Tüte, „Tomaten für Tabletten – ein guter Handel.“
Die Landschaft verändert sich, der Sand weicht Geröll und Steinen, Sträuchern und Tamarisken. Die Karawane zieht weiter, nächstes Ziel ist die kleine Oase Oulad Driss. Hier wohnen einige Familien, Kinder in farbenfrohen Hosen und Pullovern springen aufgeregt um die Gruppe herum, die weiter entlang des Oued Draa zurück Richtung Norden zieht.

Heiße Glut wird
zum Backofen 

Das Feuer entfacht Adi am Abend nicht nur für den Pfefferminztee. Brotteig wird auf der mit Sand bedeckten Glut ausgebreitet, auf ihm verteilt Adi angezündete Palmwedel und wieder Sand – der Teig wird so von beiden Seiten gebacken. Nach wenigen Minuten duftet es köstlich.

Die Farben am Himmel verändern sich von Orange über Glutrot bis zu Violet, schließlich verschwindet die Sonne ganz. Die Kamele machen sich auf die Suche nach Futter und die Karawanenmitglieder nach einem Schlafplatz auf einer Düne. Bevor sich die Runde am Feuer ganz auflöst, guckt Adi noch einmal in den Himmel und deutet auf die funkelnden Sterne. „Schön, nicht wahr?“, sinniert er und lächelt, „in der Stadt könnte ich nie leben“.

Erschienen in der WaS, Mai 2009
Text: Natascha Manski/Bilder: Reinhold Manski

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Sind Sie noch zu retten?

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„Mal ungewöhnlich übernachten-Tipp“: das Rettungsboot Lilla Marras im niederländischen Harlingen!
Seit 1955 hat das Boot Seeleuten an Englands Küsten das Leben gerettet, bevor die betagte Lady 1979 ausgemustert wurde. Ein Journalist und ein Architekt sorgten vor einigen Jahren dafür, dass auch ihr Ruhestand spannend bleibt – sie wandelten das Boot in ein schwimmendes Hotelzimmer für zwei Personen um.

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Tagsüber kann man auf der Lilla Marras eine Tour Richtung Nordsee und durch den Hafen unternehmen (unser netter Kapitän lenkt hauptberuflich Containerschiffe über die Meere, da war die Navigation eines ausgemusterten Rettungsbootes natürlich ein Klacks), abends kann man sich in der Achterkabine aufhalten

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oder im Vorschiff/Schlafraum eine DVD gucken (eine Auswahl gibt’s – auf Englisch – an Bord). Auch auf den Zimmerservice muss man quasi nicht verzichten: Das (leckere!) Frühstück wird morgens ganz früh ins Steuerhaus gebracht.

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Übrigens: Das schwimmende Hotelzimmer ist nicht die einzige ungewöhnliche Übernachtungsmöglichkeit in Harlingen – man kann es sich auch im Leuchtturm (links im Bild) und in einem umgebauten Hafenkran (rechts) bequem machen. Mal gucken, vielleicht nächstes Mal…

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Brodelnde Geysire und tosende Wasserfälle

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Natur pur lautet das Motto für Island, und die kann man am besten beim Campen erleben. Statt Zelt – viel zu kalt, das Thermometer auf dem Flughafen Keflavik zeigt gerade mal neun Grad – habe ich mich für einen gemieteten Camper entschieden. Der hat Allrad-Antrieb, sieht aus wie ein Geländewagen mit einem kleinen Haus auf der Ladefläche, und mit dem geht es jetzt zur Blauen Lagune.

Entspannen in der Blauen Lagune 

Die Isländer lieben das Baden, neben einer dicken Jacke gehört die Badehose zu ihrem wichtigsten Kleidungsstück – und die Blaue Lagune ist hier der populärste Badeort. Kein Wunder: Die skurrile Badelandschaft inmitten der Natur ist von schwarzer Lava umschlossen, das Thermalwasser lauschige 38 Grad warm. Neun Grad Außentemperatur? Macht nichts. Ich lasse mich in dem milchig-blauen Wasser treiben, gucke träge zum strahlend blauen Himmel und verteile Kieselerde auf meinem Gesicht. Das sei gut für den Teint, erklärt mir ein kontaktfreudiger Amerikaner, und reibt die weiße Masse auf seine Schultern.

Vorsicht, aktiver Geysir: Es riecht nach Schwefel

Was muss man sich in Island noch angucken? Geysire natürlich: Aufgewärmt geht’s weiter in das Haukadalur-Gebiet, zum „Großen Geysir“. Schoss im 18. Jahrhundert noch alle 30 Minuten eine Fontäne nach oben, passierte beim Namensgeber aller Springquellen lange Zeit gar nichts. Erst nach einem Erdbeben im Jahr 2000 zeigt er wieder mäßige Aktivität. Da ist sein Nachbar Strokkur etwa 100 Meter entfernt schon deutlich fleißiger: Alle paar Minuten drückt der Geysir mit einem lauten „Ffffft“ heißes Wasser nach oben. Es blubbert, zischt, dampft und riecht nach Schwefel.  Bevor es an die Südküste Islands geht, ist noch Zeit für einen Zwischenstopp bei einem der schönsten Wasserfälle der ganzen Insel: Gulfoss – goldenen Wasserfall – nennen die Isländer das Naturphänomen. Unter dumpfen, tosenden Geräuschen stürzen sich die Wassermassen über mehrere breite Stufen in eine schmale Basaltschlucht. Während der Gulfoss durch seine Größe und die verschiedenen Plateaus fasziniert, ist der Skogarfoss, den ich einige Tage später angucke, durch seine Höhe imposant: 60 Meter tief rauscht das Wasser, winzig klein fühlt man sich am Fuß des Wasserfalls, dem man sich besser in kompletter Regenmontur nähert. Doch die gehört in Island ohnehin zur Grundausrüstung. Aus der Ruhe bringt das die Isländer aber nicht. Vielleicht weil sie wissen, was die Touristen erst noch lernen müssen: Das Wetter ändert sich ständig. Wenn es jetzt nieselt, kann eine Stunde später schon wieder die Sonne scheinen.

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Islands Nächte sind hell

Ein weiteres Phänomen: In Island sind die Sommermonate hell. Nachts dämmert es lediglich, wird aber nicht dunkel. Die Isländer haben sich pragmatisch an die langen Sommertage und die – mit wenigen Stunden Tageslicht –  kurzen Wintertage angepasst. Sie arbeiten im Sommer lange. So kann es passieren, dass man auch um 22 Uhr noch an einem Isländer vorbeigeht, der fröhlich vor sich hinsummend die Hecke in seinem Vorgarten stutzt. Ein weiteres Muss für Island-Besucher ist ein Besuch im Þingvellir. Die Bewohner sind stolz auf ihren Nationalpark – „nationaler Schrein aller Isländer“ steht auf der Broschüre, die mir die nette Mitarbeiterin im Info-Center gibt. Hier driften die amerikanische und die europäische tektonische Platte auseinander. Kilometerlange, tiefe Spalten ziehen sich durch das rund 50 Quadratkilometer große Gebiet, das seit 2004 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Und hier befindet sich das Zentrum der isländischen Kultur: In Þingvellir gründeten die Isländer im Jahr 930 das älteste Parlament der Welt. Wunderbar ruhig ist es im Nationalpark. Wenn man mal von den Touristen der japanischen Reisegruppe absieht, die sich gegenseitig vor den Sehenswürdigkeiten digital verewigen.Weiter geht es entlang der Südküste Richtung Osten. Vorbei an riesigen Bergmassiven und schwarzen Lavabrocken, die ein Vulkan vor Ewigkeiten ausgespuckt hat. Hier kann man sich gut vorstellen, dass in den 60er-Jahren amerikanische Astronauten in ihren Schutzanzügen auf der Insel herumhüpften, um unter realistischen Bedingungen für die Mondlandung zu trainieren. Surreal, rau und abwechslungsreich ist die Landschaft.

Wie James Bond auf dem Gletschersee unterwegs

Und manchmal ist sie auch eiskalt: Ungefähr elf Prozent der Oberfläche Islands wird von Gletschern bedeckt.

Der größte ist der Vatnajökull, er erstreckt sich über unvorstellbare 8.300 Quadratkilometer. Direkt an der Küste hat sich ein Gletschersee gebildet, der Jökulsárlón. Den fand auch schon James Bond in „Die Another Day“ faszinierend. Während sich 007  allerdings beherzt mit einem Eisblock ins Wasser stürzte und den Spoiler eines Eisgleiters gewieft als Surfbrett nutzte, entscheide ich mich für etwas weniger Anstrengendes: eine Bootstour zwischen den Eisbergen. Bis zu 15 Meter hoch ragen die bizarren Klötze aus dem Wasser, blau-schwarz schimmert das Gletschereis, das an dem Amphibienboot vorbeizieht. Zwischen fünf und sieben Jahre schwimmen die vom Gletscher abgespaltenen Eisblöcke auf dem See, dann treiben sie aufs offene Meer hinaus, erklärt uns die Mitarbeiterin vom Gletscherlagunen-Team. Sie rollt das „R“ genauso wie Björk, dem bekanntesten Export der Insel, und spricht – wie fast alle jüngeren Isländer – fließend Englisch.

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Reykjavik ist klein und hip 

Dass die Isländer außerdem eher Trends setzen, als ihnen hinterherzulaufen, sieht man in Reykjavik. Kleine Galerien, moderne Cafés und szenige Clubs säumen die Haupteinkaufsstraßen der Innenstadt. Outfits, die die Modemagazine jetzt zeigen –  und die noch Monate brauchen, bis sie auf deutschen Straßen zu sehen sind – hier, in der mit 116.000 Einwohnern wohl kleinsten Hauptstadt der Welt, werden sie bereits getragen.Wer klassisch schöne Sehenswürdigkeiten erwartet, wird allerdings enttäuscht. Die  Ein- und Mehrfamilienhäuser aus Beton, die das Bild der Stadt prägen, sind eher funktional als schön. Doch die häufige Verwendung des Baumaterials macht Sinn: Beton ist elastisch, und das ist bei den regelmäßig auftretenden Erdbeben wichtig.  Auch das Wahrzeichen der Stadt – die Kirche Hallgrimskirka – ist optisch gewöhnungsbedürftig. Man muss sich schon ein bisschen Zeit nehmen, um den Charme Reykjaviks zu entdecken. Denn der ist – ähnlich wie die durch Vulkantätigkeiten geprägte schroffe Landschaft der Insel – auch hier rau.

(Auszüge sind in der NWZ erschienen, Juli 2008)

Buchtipps:
Merian Island: Tolle Bilder, gute Reportagen und aktuelle Adressen: Perfekt zur Einstimmung
DuMont Reise-Taschenbuch Island: Umfangreiche Informationen, übersichtlich gestaltet
Isländisch Wort für Wort, Kauderwelsch Band 13: Isländisch nebenbei für den Urlaub lernen – das ist fast unmöglich. Wer den Geheimnissen der spannenden Sprache dennoch näher kommen will und keine Angst vor Fehlern hat, kann in diesen Sprachführer gucken.

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