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Das Museum zum Buch

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Als Orhan Pamuk am Schreibtisch in seinem Istanbuler Atelier saß und den Roman Das Museum der Unschuld schrieb, hatte er eine Idee: Wie wäre es, wenn er – parallel zu den fiktiven Romanfiguren – ein Museum zum Buch erschaffen würde? Also eine reale Ausstellung, die Alltagsgegenstände der ausgedachten Charaktere zeigt?
Das wäre ziemlich spannend, entschied der Literaturnobelpreisträger – und machte sich an die Arbeit. The Museum of Innocence wurde im April 2012 eröffnet.

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Bild: Refik Anadol/Museum of Innocence Foundation

In einem schmalen Haus im Stadtteil Çukurcuma können die Besucher nun über drei Etagen einen Streifzug durch das Leben von Füsun und Kemal, den Protagonisten der tragischen Liebesgeschichte, unternehmen. Sie können sich Kleidungsstücke, Geschirr, Fotografien, Postkarten, Zigarettenkippen oder Salzstreuer anschauen und hören dazu Geräusche des Istanbuler Alltags – das Rauschen des Bosporus etwa, eine kreischende Möwe oder das Hupen eines Autos. Das Ergebnis: Die Grenzen von Fiktion (der Geschichte der Charaktere) und Realität (Pamuk hat die „Erinnerungsstücke“ über Jahre gesammelt und zusammengekauft) verschwimmen. Sehenswert!

In Istanbul kann man natürlich noch viele andere Dinge unternehmen und entdecken, hier eine Mini-Auswahl:
* Blaue Moschee
* Yerebatan-Zisterne
* Großer Basar (bei  31.000 m² und rund 4000 Geschäften kann man leicht den Überblick verlieren, hier gibt’s eine Karte)
* eine Tour über den Bosporus (am besten eine  Tour ohne Bespaßung/Beschallung wählen – einfach nur gucken!)
* Istanbul Modern
* Jazzclub Nardis (die Bar ist lauschig, aber klein: Reservieren!)
* Bar Ritim Galata (Probieren: Türkische Ravioli mit Joghurt), Restaurant Guney

Sein „Best of“ der  Sehenswürdigkeiten hat Kai Strittmatter unterhaltsam in einem Artikel in der SZ zusammengefasst. Der Journalist und Autor hat mit Gebrauchsanweisung für Istanbul außerdem eine schlaue und witzige Reisevorbereitung geschrieben.

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In die Wüste geschickt

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Auf dem Kamel in einer Karawane durch die nordwestliche Sahara

Pechschwarzer Himmel mit vielen funkelnden Sternen wölbt sich über kilometerlangen Dünen. Kamele bewegen sich lautlos zwischen ausgebreiteten Schlafsäcken. In einer Feuerstelle brennt der Rest der Glut. Ein schwacher Geruch von Pfefferminztee liegt in der Luft. Es ist Nacht in der Sahara.
Adi beeindruckt dieses Szenario wenig. Der Berber ist seit 20 Jahren als Kameltreiber in der nordwestlichen Sahara in Marokko unterwegs, die Wüste ist für ihn Arbeitsplatz und Wohnzimmer zugleich. „Auf geht’s, wir wollen weiter“, sagt der Nomade am nächsten Morgen und zieht den Sattelgurt seines Kamels fester. Das Lastentier beschwert sich, blökt laut und guckt seinen Chef vorwurfsvoll an.

Raus aus der Zivilisation
Mit jedem Schritt auf den gemächlich im Passgang laufenden Kamelen entfernt sich die Karawane ein Stück von der Zivilisation, lässt die Stadt Zagora hinter sich, duchquert Stein- und Geröllwüsten und taucht in eine feine Sandwüste ein. Nun wird die Sicht in jeder Himmelsrichtung nur noch vom Horizont begrenzt, sieht eine fein geschwungene Düne aus wie die nächste. Spätestens in der Sandwüste lasse die meisten Menschen der Orientierungssinn im Stich, erzählt Adi und lächelt. „Sie laufen“, sagt er, und malt in der Luft mit seiner zerfurchten, ledrigen Hand kleine Kringel in die Luft, „dann immer nur im Kreis“.

Süßer Pfefferminztee
und fremde Gesänge

Etwa 25 Kilometer legen die Kamele täglich zurück, befördern Menschen, Lebensmittel, Töpfe und Zelte zum nächsten Schlafplatz unter freiem Himmel.

Und große Kanister tragen sie auch. Die Plastikbehälter haben gleich zwei Aufgaben: Zunächst befördern sie Trinkwasser, wenn sie leer sind, werden sie zum Instrument. Wie das geht? „Ganz einfach“, lacht Adi und beginnt, auf dem Resonanzkörper zu trommeln. Das macht er oft, abends, nachdem sich die Gäste der Karawane vor dem Feuer versammelt und gekochtes Hammelfleisch oder Couscous aus Tontöpfen gegessen haben. Wenn die Messingkanne mit duftendem Pfefferminztee und Zucker die Runde macht, gibt Adi den Rhythmus auf dem Kanister vor und beginnt zu singen. Von den Weiten der Wüste und von unerfüllter Liebe. Die Töne sind laut, die Schläge klingen dunkel, die Melodien arabisch und fremd. „Wer die Einsamkeit scheut, ist falsch in der Sahara“, sagt Adi, und legt den Kanister zur Seite.

Tomaten für Tabletten
Manchmal bekommen aber auch die Kameltreiber Besuch. In der Nähe der algerischen Grenze läuft ein dreiköpfiger Soldatentrupp auf die Karawane zu, bewaffnet und mit mürrischen Gesichtern. Adi marschiert den Fremden entgegen und kommt schließlich mit einer Plastiktüte zurück. „Einer der Männer hat Zahnschmerzen“, lächelt der Berber, und verstaut die Tüte, „Tomaten für Tabletten – ein guter Handel.“
Die Landschaft verändert sich, der Sand weicht Geröll und Steinen, Sträuchern und Tamarisken. Die Karawane zieht weiter, nächstes Ziel ist die kleine Oase Oulad Driss. Hier wohnen einige Familien, Kinder in farbenfrohen Hosen und Pullovern springen aufgeregt um die Gruppe herum, die weiter entlang des Oued Draa zurück Richtung Norden zieht.

Heiße Glut wird
zum Backofen 

Das Feuer entfacht Adi am Abend nicht nur für den Pfefferminztee. Brotteig wird auf der mit Sand bedeckten Glut ausgebreitet, auf ihm verteilt Adi angezündete Palmwedel und wieder Sand – der Teig wird so von beiden Seiten gebacken. Nach wenigen Minuten duftet es köstlich.

Die Farben am Himmel verändern sich von Orange über Glutrot bis zu Violet, schließlich verschwindet die Sonne ganz. Die Kamele machen sich auf die Suche nach Futter und die Karawanenmitglieder nach einem Schlafplatz auf einer Düne. Bevor sich die Runde am Feuer ganz auflöst, guckt Adi noch einmal in den Himmel und deutet auf die funkelnden Sterne. „Schön, nicht wahr?“, sinniert er und lächelt, „in der Stadt könnte ich nie leben“.

Erschienen in der WaS, Mai 2009
Text: Natascha Manski/Bilder: Reinhold Manski

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Sind Sie noch zu retten?

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„Mal ungewöhnlich übernachten-Tipp“: das Rettungsboot Lilla Marras im niederländischen Harlingen!
Seit 1955 hat das Boot Seeleuten an Englands Küsten das Leben gerettet, bevor die betagte Lady 1979 ausgemustert wurde. Ein Journalist und ein Architekt sorgten vor einigen Jahren dafür, dass auch ihr Ruhestand spannend bleibt – sie wandelten das Boot in ein schwimmendes Hotelzimmer für zwei Personen um.

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Tagsüber kann man auf der Lilla Marras eine Tour Richtung Nordsee und durch den Hafen unternehmen (unser netter Kapitän lenkt hauptberuflich Containerschiffe über die Meere, da war die Navigation eines ausgemusterten Rettungsbootes natürlich ein Klacks), abends kann man sich in der Achterkabine aufhalten

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oder im Vorschiff/Schlafraum eine DVD gucken (eine Auswahl gibt’s – auf Englisch – an Bord). Auch auf den Zimmerservice muss man quasi nicht verzichten: Das (leckere!) Frühstück wird morgens ganz früh ins Steuerhaus gebracht.

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Übrigens: Das schwimmende Hotelzimmer ist nicht die einzige ungewöhnliche Übernachtungsmöglichkeit in Harlingen – man kann es sich auch im Leuchtturm (links im Bild) und in einem umgebauten Hafenkran (rechts) bequem machen. Mal gucken, vielleicht nächstes Mal…

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